Lokibo Blog

Buchtipp der Woche – “Der Mann mit dem Fagott” von Udo Jürgens

Hallo ihr Lieben,

diese Woche wollen wir euch einen ganz außergewöhnlichen Roman empfehlen: die Biographie von Udo Jürgens: “Der Mann mit dem Fagott”.

Die Biographie eines Schlagerstars. Kitschig, oberflächlich, uninteressant – könnte man vielleicht meinen. Aber das stimmt in diesem Fall nicht. Anspruchsvoll, tiefgründig, interessant. Das trifft es.

„Kurz vor 4 Uhr morgens. Ich drücke eine Zigarette aus. Hastig geraucht in der kurzen Pause am Klavier zwischen zwei Songs. 28. September 1955. Übermorgen ist mein 21. Geburtstag. Müdigkeit und Aufgekratztheit sorgen für jene merkwürdige Stimmung, die mich Abend für Abend beherrscht. Entspannte Konzentration gepaart mit matter Routine. Ein Leben, das mir manchmal unwirklich erscheint und das doch die Realität in all ihrer Härte in sich trägt“, so fängt das erste von 27 Kapiteln an. Das Musikerleben ist hart. Wir alle wissen: Udo Jürgens hat es bis an die Spitze geschafft. Er ist zum Star geworden. Doch darum geht es in diesem Buch gar nicht so sehr, sondern vielmehr um die Geschichte der Familie Bockelmann, um Udos Familie, der eigentlich Jürgen Udo Bockelmann heißt.

Unbenannt

Das Buch enthält verschiedene Zeitsprünge, mal vor, dann wieder zurück, 1891 in Bremen, 1946 in Lüneburg, 1935 in Liverpool, 1968 München, 1959 Wien. Das nur ein paar Beispiele. Die Zeitsprünge sind anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, fügen sich aber immer ineinander und ergeben letztlich ein schlüssiges Bild – die Geschichte einer Familie durch ein Jahrhundert. Das Ende des russischen Zarenreiches. Der 1. Weltkrieg. Die Flucht des Großvaters. Die Naziherrschaft. Der 2. Weltkrieg. Die Nachkriegszeit. Wer hätte gewusst, dass sein Großvater der erste Privatbankier Moskaus war? Oder wer hätte gedacht, dass sein Onkel Oberbürgermeister in Frankfurt am Main war?

Die Bockelmanns waren interessante Persönlichkeiten, die in den letzten 100 Jahren ihre Spuren an verschiedenen Orten dieser Welt hinterlassen haben. In der Wirtschaft. In der Politik. Und in der Musik. Natürlich. Udo Jürgens. „Ich war noch niemals in New York“, „Der Mann mit dem Fagott“, „Griechischer Wein“, „Gib‘ mir deine Angst“ … viele bekannte Titel, unterhaltsam, schön, tief, wahr, ehrlich.

„Ein erster Schritt: Ein Engagement in einem Musikcafé von halb acht Uhr abends bis halb fünf Uhr morgens, danach eine Kleinigkeit essen, ins Bett, wenn andere aufstehen, schlafen bis zum Nachmittag. An Wintertagen die Sonne kaum gesehen. Oft kein Gefühl mehr für Raum und Zeit. Spielen, um zu existieren, in einem ganz und gar prosaischen Sinne. Und doch ist es das, was ich will und immer wollte: Musiker sein“, auch das sind noch Zeilen aus dem ersten Kapitel.

Sein Leben als Musiker ist in die genannte Familiengeschichte eingewoben. Immer wieder. Seine Niederlagen, seine Ängste, seine Erfolge – die Gefühlswelt eines Musikers, der es nach oben geschafft hat. Jürgen Udo Bockelmann. Eine kleine Reise ins letzte Jahrhundert und in die Musik, die sich lohnt und die sich von vielen anderen Biographien aus der Musikbranche abhebt. Kein Kitsch, sondern Literatur. 2011 erschienen bei „Limes“. 736 Seiten. Unser Buchtipp der Woche; lohnt sich!

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